883-mal unterstützte der Medizinische Dienst Sachsen-Anhalt die Menschen im Land 2024 bei vermuteten Behandlungsfehlern in Medizin und Pflege. In 492 Fällen wurde kostenfrei und unabhängig ein ausführliches Gutachten erstellt. Bei 379 (77 %) davon lagen keine medizinischen oder pflegefachlichen Fehler vor, die erstattungspflichtige Schäden zur Fol-ge hatten. Bei 113 (23 %) war das der Fall. Die Anzahl bestätigter Behandlungsfehler mit erstattungspflichtigen Schäden ist damit etwas niedriger als noch im Vorjahr (141 (28%)).
„Im Verhältnis zu allen Behandlungen ist die Anzahl an bestätigten Behandlungsfehlern im Land gering“, sagt Jens Hennicke, Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Sach-sen-Anhalt. „Doch trotz bester medizinischer Möglichkeiten und größter pflegerischer Be-mühungen lassen sich Komplikationen, wie zum Beispiel eine Wundheilungsstörung nach einer Operation, selbst bei fachgerechtem Handeln nicht sicher vermeiden oder vollkommen ausschließen. Abweichungen von einem optimalen Ergebnis oder Zustand wecken schnell den Verdacht auf einen möglichen Behandlungs- oder Pflegefehler. Die verständliche Aufklärung über Grenzen und Risiken ist deshalb immer wieder wichtig.
410 Abklärungen betrafen medizinische Behandlungen – zum überwiegenden Teil (53 %) in operativen Fachgebieten wie der Orthopädie und Chirurgie. „Patienten setzen hohe Erwar-tungen in die moderne Medizin. Die Möglichkeiten des Machbaren werden größer und Ein-griffe gleichzeitig komplexer. Risiken lassen sich dabei aber nie völlig ausschließen“, so Hen-nicke. Im medizinischen Bereich lagen bei 77 % der Vermutungen keine erstattungspflichti-gen Schäden vor. Bei 23 % war ein Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden nachweisbar. Das betraf ganz unterschiedliche Erkrankungen, Behandlungsgebiete und Berufsgruppen. „Neben Fremdkörpern nach operativen Eingriffen können physiotherapeutische Behandlungen oder die Betreuung durch die Hebamme nach der Geburt Thema sein“, so Hennicke. „Mitunter geht es auch um den Einsatz von Materialien. Beispielsweise können entflammbare Desinfektionsmittel Verbrennungen an Patienten verursachen, wenn sie in ungeeigneten Situationen verwendet werden.“
 So verschieden wie die Ursachen sind die Folgen medizinischer Behandlungsfehler. Diese reichen von einer Narbenbildung über eine längere Aufenthaltsdauer im Krankenhaus bis hin zu einer erneuten Operation. Im Einzelfall sind sie äußerst schwerwiegend und lebensverändernd für den betreffenden Menschen.
Bei 82 Verdachtsfällen stand die pflegerische Versorgung im Mittelpunkt. 62 davon (76 %) wiesen keine Pflegefehler mit erstattungsfähigen Schäden auf. Bei den übrigen 20 (24 %) war dies der Fall. Thematisch standen dabei zum Beispiel eine unzureichende Überwachung in der intensivpflegerischen Versorgung oder die Bildung von Druckgeschwüren durch unzureichende Positionswechsel im Mittelpunkt. „Der Umsetzung von Pflegestandards, zum Beispiel regelmäßige Positionswechsel, steht die Selbstbestimmtheit der pflegebedürftigen Menschen gegenüber, die sich Drehen, weil sie anders liegen möchten.“
Trotz größter Sorgfalt lassen sich Behandlungs- und Pflegefehler nie völlig ausschließen. Eine offene und transparente Fehlerkultur erhöht allerdings die Chance, fach- und bereichsübergreifend aus diesen zu lernen. Selbst Fehler, die keinen Schaden zur Folge hatten, sind dabei als potentielle Risiken wichtig. Praxisnahe Simulationstrainings wie der „Room of horrors“ bzw. „Room of Error“ verbessern das Erkennen von Fehlerquellen und Gefahren für die Patientensicherheit und fördern den Austausch darüber. „Jeder Behandlungsfehler ist einer zu viel“, sagt Hennicke. „Diese systematisch, anonym und sanktionsfrei zu erfassen und auszuwerten, kann die Fehlerprävention über die Einrichtungen hinweg unterstützen. Die Frage ‚Wer war das?‘ ist am Ende weniger zielführend als die Frage: ‚Wie wäre das vermeidbar gewesen?‘“, so Hennicke.
Hintergrund:
 Die Gemeinschaft der Medizinischen Dienste veröffentlicht zum 14. Mal die Statistik zur Behandlungsfehlerbegutachtung. Damit leisten die Medizinischen Dienste einen Beitrag zu mehr Transparenz und setzen Impulse zur Verbesserung der Patientensicherheit. Obwohl die Medizinischen Dienste den umfangreichsten Datensatz zu Behandlungsfehlern in Deutschland veröffentlichen, sind die Zahlen nicht repräsentativ, sondern zeigen lediglich einen kleinen Ausschnitt. Einen Gesamtüberblick über Anzahl und Art an Behandlungsfehlern gibt es in Deutschland nicht. Die Fehler werden nirgendwo zentral erfasst und ausgewertet. Wissen-schaftliche Untersuchungen gehen von einer hohen Dunkelziffer aus.
 Die Anzahl der Behandlungsfehlervorwürfe in einzelnen Fachgebieten sagt nichts über die Sicherheit oder Risiken in dem jeweiligen Gebiet aus. Sie zeigt vielmehr, in welchen Bereichen Patientinnen und Patienten Fehler eher bemerken und entsprechend Vorwürfe erheben. So ist es für Betroffene leichter, einen Behandlungsfehler nach einer Knie-, Hüft- oder Zahn-OP zu vermuten als z. B. nach einem Medikationsfehler. In jedem Fall gilt: Der Verdacht auf einen möglichen Fehler muss aktiv vom Patienten vorgebracht werden.
 Vermuten Versicherte einen Behandlungsfehler, ist ihre Krankenkasse die Anlaufstelle. Diese kann, den Medizinischen Dienst mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragen. 
 Die Gutachten der Medizinischen Dienste zu Behandlungsfehlervorwürfen werden interessensneutral erstellt und sind für gesetzlich Versicherte kostenfrei. Den Betroffenen bieten diese Facheinschätzungen eine wertvolle Unterstützung. 
↗ vollständige Pressemitteilung
▶ Gesamtübersicht Ergebnisse Behandlungsfehlerbegutachtungen 2024
▶ Vermutete Behandlungsfehler 2024 nach Versorgungsort
▶ Vermutete Behandlungsfehler 2024 nach Fachgebieten
Und wie sehen die Ergebnisse bundesweit aus?